Deutschlands größter Kohlehafen

Posted: Dezember 1st, 2012 | Author: | Filed under: Hafenrundfahrten, Home, Texte | Tags: , | Kommentare deaktiviert für Deutschlands größter Kohlehafen

Der Mensch muss weichen, wenn die Schaufelbagger kommen

Der Hansaport verfügt über mehr Gleise als der Hamburger Hauptbahnhof. Auf der über 15 Kilometer langen Strecke bewegen Schaufelradbagger riesige Berge an Kohle und Erz. In 24 Stunden können 110.000 Tonnen Kohle und Erz gelöscht werden. An den Kais mit mehr als 1000 Metern Länge ist ausreichend Platz für drei Seeschiffe und zwei Küstenmotorschiffe. Und auf 350.000 Quadratmeter Freifläche lagert das Schüttgut aus Kolumbien und anderen Abbauländern. Wieso werden solch immense Mengen an Steinkohle importiert, wo doch angesichts des Klimawandels eine Umstrukturierung der Energieerzeugung hin zu regenerativen Energien erfolgen sollte? Und welche sozialen und ökologischen Auswirkungen hat der Kohleabbau in den Abbaugebieten?

Die Hansaport Hafenbetriebsgesellschaft wurde 1974 gegründet. Ein Jahr zuvor hatten der Hamburger Senat und die Bürgerschaft einstimmig die Räumung und Umsiedelung des Fischerdorfes Altenwerder beschlossen, um dort einen neuen Containerterminal zu eröffnen. Mit dem Bau des Hansaport begann die Zerstörung von Altenwerder. Hansaports Gesellschafter sind die Salzgitter Klöckner Werke GmbH mit 51 Prozent und die Hamburger Hafen und Logistik AG mit 49 Prozent. Nach eigenen Angaben wurden im Hansaport 2011 5.979 Tonnen Kohle und 7.977 Tonnen Erz umgeschlagen. Dabei wurden rund zwei Drittel auf der Schiene abtransportiert, ein Drittel mit Binnenschiffen.

Die Kohle und der Klimawandel

Der Klimawandel schreitet voran. Was bis zur Weltkonferenz der Vereinten Nationen von Rio 1992 noch als grünes Hirngespinst verschrien war, ist spätestens seit den Berichten des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) auch wissenschaftlich bestätigt. Doch immernoch trägt die Energiegewinnung durch Kohlekraftwerke rund ein Viertel zum weltweiten CO2 Ausstoß bei und stellt neben der Verbrennung von Öl und Benzin die wichtigste Quelle des CO2 Anstieges dar. In der Bundesrepublik wird rund die Hälfte des Stroms aus Braun- und Steinkohle erzeugt.

Vor dem Hintergrund des regierungsoffiziellen Kampfes gegen den Klimawandel und der Tatsache, dass Hamburg 2011 der Titel „Umwelthauptstadt Europas“ verliehen wurde, verwundert es sehr, wenn im Hamburger Hafen Deutschlands größter Kohlehafen beständig expandiert und mit dem Kohlekraftwerk Hamburg-Moorburg ein Kohlekraftwerk von der Größe des AKW Brokdorf neu gebaut wird. Und nicht nur im Hamburger Hafen weist der beschrittene „Energiepfad“ weg von den regenerativen Energien und hin zur Kohlekraft: Aktuell befinden sich bundesweit zehn große Kohlekraftwerke im Bau und zehn weitere in Planung.

Entgegen den Beteuerungen der Bundesregierung, einen energiepolitischen Wandel voranzutreiben, werden die acht 2011 stillgelegten Atomkraftwerke de facto durch Kohlekraftwerke ersetzt und die Solarförderung gekürzt. Wie kommt es wohl, dass die energiepolitischen Sonntagsreden der Bundesregierung und die reale Entwicklung im bundesdeutschen Kraftwerkspark so stark von einander abweichen?

    Faktor 1 Kein Krieg um Kohle

    Im Gegensatz zu Öl und Gas ist Kohle recht gleichmäßig auf der Erde verteilt und findet sich in fast allen Ländern und Kontinenten. Darüber hinaus wird der Löwenanteil von rund 83 Prozent der Kohleproduktion bereits in den Abbauländen umgesetzt, nur gut 16 Prozent werden exportiert. Für viele Länder ist Kohle der einzige und damit wichtigste heimische Energieträger (Polen 96 Prozent, China, Australien und Südafrika über 80 Prozent). Im Gegensatz zu Gas wird der Zugriff auf Kohle kaum durch Krisen in den Produktionsländern gefährdet. Kohle ist schlichtweg „leicht zu bekommen“, ohne darum Krieg zu führen wie beispielsweise um den Energieträger Öl.

    Faktor 2 Strategische Reichweite

    Großbritannien und die anderen Förderländer des für Deutschland bedeutenden Nordseeerdgases werden angesichts der zur Neige gehenden Gasfelder in weniger als einem Jahrzehnt zu Nettoimporteuren von Öl und Gas werden. Und auch in anderen Gebieten der Erde werden seit langem weniger neue Förderkapazitäten entdeckt, als der Verbrauch an den bestehenden Ölfeldern nagt.
    Angesichts der Debatte um abnehmenden Öl- und Gasvorräte (Peak-Oil Debatte) ist es für den Neubau von Großkraftwerken von großer Relevanz, dass selbst konservative Schätzungen den Steinkohlevorräten bei gleichbleibendem Verbrauch eine Reichweite von mehr als 100 Jahren prognostizieren. Kohle wird also auch mittelfristig – und damit für die Laufzeit der nun neu gebauten Kraftwerke – günstig zu erwerben sein.

    Faktor 3 Monopole sichern

    Den historischen Gebietsmonopolen der alten Bundesrepublik folgend, gibt es bei der Erzeugung und Verteilung von Strom vier große Konzerne. E.on (früher Preußen Elektra, Bayernwerk AG, VEBA und VIAG), RWE, Vattenfall (früher Bewag, HEW, und ostdeutsche Stadtwerke) und EnBW kämpfen seit der Liberalisierung des Strommarktes Anfang der 90er Jahre verbissen und erfolgreich um Marktanteile. Alle 2011 abgeschalteten AKW gehören diesen vier Firmen, was zunächst eine Schwächung ihrer Position am Strommarkt zu bedeuten scheint. Die im Bau befindlichen zehn Kohlekraftwerke gehören aber bis auf eines ebenfalls den großen Vier, sodass sich die Energiewende von 2011 eher als eine Erneuerung des Kraftwerkparkes von RWE, E.on, Vattenfall und ENBW darstellt. Im Vergleich zum Bau von Offshore-Windanlagen und einer dezentralen Stromerzeugung mit Kraft-Wärmekoppelung gelingt es den großen Konzernen wesentlich leichter, ihre Marktmacht durch den Neubau von Kohlegroßkraftwerken zu sichern.

Braunkohle – Ein deutscher Sonderweg

Deutschland stellt in Sachen Kohle eine klimatechnisch wichtige Besonderheit dar. Weltweit wurden 2002 Braun-, Stein- und Kokskohle von 3.233 Millionen Tonnen Steinkohleinheiten gefördert, davon 90 Prozent Steinkohle. Dieser Bereich war einst auch ein bedeutender Wirtschaftssektor in Deutschland, der aber 2018 abgewickelt wird. Von da an muss in den deutschen Steinkohlekraftwerken vollkommen auf Importsteinkohle umgestellt werden.

Bei der Braunkohle hingegen, deren Verstromung fast doppelt soviel CO2 freisetzt wie gleichgroße Gaskraftwerke, ist Deutschland weltweit führend. Mit einem Anteil von 20 Prozent am globalen Braunkohleabbau fördert und verbraucht die BRD mehr als die zweit- und drittplatzierten Länder USA und Australien zusammen. Verstromt wird diese Braunkohle vor allem in den Kraftwerken von RWE (Westen) und Vattenfall (Sachsen und Brandenburg).

Als ausschlaggebend gilt dabei, dass Braunkohle im Tagebau, und damit vermeintlich subventionsfrei, gefördert werden kann. Angesichts der Vertreibung der ansässigen Bevölkerung, einer dramatischen Landschaftszerstörung und den Folgen des CO2 Ausstoßes eine überaus zynische Gleichung.
Kohlebergbau und die Folgen

In den wichtigsten Steinkohleexportnationen kann auch Steinkohle im Tagebau oder aus geringer Tiefe gefördert werden. Dies senkt die Förderkosten enorm, hat aber auf der anderen Seite einen gewaltigen Flächenverbrauch zur Folge. In der BRD sind die sozialen Folgen der Kohleförderung vor allem durch den Braunkohletagebau sichtbar.

Seit dem Zweiten Weltkrieg wurden in Westdeutschland rund 100.000 Menschen umgesiedelt, ganze Gemeinden verschwanden in den riesigen Kohlegruben. Gegen das Projekt Garzweiler II in Nordrheinwestfalen regte sich in den 90er Jahren massiver Widerstand. Aktuell gibt es heftige Auseinandersetzungen um das Vattenfall Projekt Lacoma und weitere Braunkohletagebaue, die in Brandenburg neu erschlossen werden sollen. Der Dokumentarfilm „Lacoma und der Konzern“ hält diesen Streit fest.

Dabei stehen die Betroffenen der Umsiedlungsaktionen in der BRD noch vergleichsweise gut da. Bei Projekten in Ländern des Südens wird nur selten versucht, den ideellen Verlust ökonomisch aus zu gleichen. In den meisten Fällen verlieren die Betroffenen nicht nur ihre sozialen Bezüge sondern auch ihre ökonomische Basis – vom Landbesitz über die Wohnungen bis hin zur meist überlebensnotwendigen Gemeinschaft.

Das Beispiel Kolumbien

Neben Russland ist Kolumbien mit fast acht Millionen Tonnen der zweitgrößte Steinkohlelieferant für deutsche Kohlekraftwerke – Tendenz steigend. Der Steinkohlebergbau in Kolumbien expandiert stetig, und dies vor allem für den Export, in den rund 95 Prozent der geförderten Kohle gehen. In der Vergangenheit ist es jedoch immer wieder zu Menschrechtsverletzungen gekommen. Eine wichtige Rolle spielen dabei paramilitärische Einheiten, die nach Aussagen inhaftierter Paramilitärs die lokale Bevölkerung terrorisieren. Dabei schrecken sie auch vor Morden nicht zurück, sollten sich Anwohner_innen einer Baumaßnahme oder einer Umsiedlung widersetzen. Am Beispiel der Erweiterung der Minen im Distrikt Cesar und dem Ausbau der dafür notwendigen Bahnstrecken wurde dies unter anderem von FIAN dokumentiert. Auch die gewerkschaftliche Organisation der Bergarbeiter wird immer wieder von den Bergbaukonzernen bedroht. 2001 kamen die Gewerkschaftsführer Victor Hugo Orcasito und Valmore Locarno von der SINTRAMIENERGETICA unter mysteriösen Umständen ums Leben, als sie sich für eine bessere Verpflegung der Bergarbeiter einsetzten.

Durch die Kohletagebaue gehen zudem große Ackerflächen für den Anbau von Nahrungsmitteln verloren. Die lokalen Gemeinschaften verlieren so ihre Lebensgrundlagen und müssen dann aus dieser Position der Schwäche heraus mit den Unternehmen ihre Umsiedlung aushandeln. Da sich diese Verhandlungen oft über Jahre hinziehen, geben viele Betroffene vorher auf und akzeptieren völlig unzureichende Entschädigungen.

Neben den sozialen Folgen gibt es aber auch drastische ökologische Auswirkungen des Kohletagebaues in Kolumbien. Für den Cerrejón-Tagebau muss der Rancheria-Fluss auf mehr als 20 Kilometer umgeleitet werden. Es handelt sich um den einzigen nennenswerten Fluss des ansonsten sehr trockenen Departments La Guajira.


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