Von Zeitschleifen, Zwischenlager und Castortransporten

Posted: Dezember 1st, 2019 | Author: | Filed under: Home, Texte | Tags: , , , , | Kommentare deaktiviert für Von Zeitschleifen, Zwischenlager und Castortransporten

Wieso eigentlich ein Castor nach Philipsburg (später dann Biblis, Brokdorf und Isar)?

Versprechen haben beim Betrieb von Atomanlagen eine lange Geschichte. Versprechen sind zumeist der Umgang mit Problemen, die die Betreiber nicht lösen können und für die es eine Ausrede braucht, da sonst der Betrieb der Anlagen nicht vermittelbar wäre.

Zunächst wurden Atomanlagen in Betrieb genommen ohne sich ernsthaft Gedanken darüber zu machen, wo denn die hochradioaktiven Zerfallsprodukte (beschönigend Atommüll genannt) verbleiben sollten. Als dies durch die Anti-Atom-Bewegung als Problem benannt wurde, begaben sich Betreiber und Regierende schließlich auf die Suche nach einem Ort, der verheißungsvoll „Endlager“ genannt wurde. Dies wohlgemerkt nachdem die ersten Reaktoren am Netz waren. „Endlager“, so viel ist nach mehr als vierzig Jahren Endlagersuche klar, ist vor allem das Versprechen, dass irgendwann alles gut und zuende ist mit dem strahlenden Erbe.

Die Hoffnung auf einen solchen Ort, den es auch mehr als 70 Jahre nach dem Beginn der sog. zivilen Nutzung der Atomenergie noch nirgendwo gibt, wurde atomrechtlich mit dem Begriff: Entsorgungsnachweis belegt.

Als Entsorgungsnachweis galt zunächst, dass überhaupt gesucht wurde und es bei dieser Suche berechtigten Anlass zur Hoffnung gab, dass sie erfolgreich sein könnte (die sog. Eignungshöffigkeit). Doch mit dem Verstreichen der Jahre der Erkundungen in Gorleben ging diese Hoffnung immer mehr verloren (andere hatten diese nie) und es wurde klar, dass es für den sich immer weiter aufhäufenden Atommüll eine „Zwischenlösung“ brauchte. Mit den sog. „Zwischenlagern“ wurde diese „Lösung“ dann gefunden und dies praktischerweise auch an den Kraftwerkstandorten, was lästige Proteste gegen die Transporte verhinderte. Lager also für hochradioaktivem Müll zwischen dem „Hier und Jetzt“ und einem zukünftigen Endlager, für das es aktuell nicht mal einen Ort gibt, der „eignungshöffig“ wäre. Das aktuelle Versprechen ist, dass es diesen Ort in spätestens zwanzig Jahren geben wird. Eine Zeitspanne die eigentümlicherweise das Zeitmaß der Endlager-Hoffnung seit den frühen 80er Jahren zu sein scheint (ein Endlager noch vor dem Jahr 2000 hieß es da).
Doch zurück nach Philipsburg und der Einlösung eines alten Versprechens.

Noch bevor die Idee eines „Zwischenlagers“ in die Welt gesetzt wurde, gab es die Idee der „Wiederaufbereitung“ (WAA) von radioaktiven Reststoffen, die dann einfach wieder in die Reaktoren gesteckt werden können. Die gescheiterte Geschichte der Schnellen Brüter und sich selbst erhaltenden nuklearen Kreisläufen, die in den 80er Jahren sehr beliebt war, würde den Rahmen dieses Flyers sprengen, und doch stammt das Material in den Castoren, die nach Philipsburg fahren sollen genau aus dieser Zeit.

Als die in Deutschland gescheiterte WAA Wackersdorf als „Entsorgungsnachweis“ ausgeschieden war, wurde der anfallende Atommüll einfach in die WAAs La Hague (Frankreich) und Sellafield (Großbritannien) verschoben, und schon hatten die Kraftwerksbetreiber den Entsorgungsnachweis erbracht.

Dumm nur, dass sich dieser Müll auch in LaHague und Sellafield auftürmt und vereinbart wurde, ihn wieder an die Betreiber zurückzuschicken.

Für den Moment hatte die WAA Zeitschleife als Beruhigungspille gewirkt, doch 2019/ 2020 kommen die letzten Gebinde dann doch wieder zurück zu den AKW-Betreibern. Die Zwischenlager haben in der Zwischenzeit schon wieder den Besitzer gewechselt und gehören dem Bund und nicht mehr den Atomkonzernen (RWE und EWNW und Preußen Elektra früher E.on davor schon mal Preißen Elektra).
Im Jahr 2019 gibt es immer noch kein Endlager, aber immer noch Atommüll, der auf Reisen ist.
Den Betreibern ist es dabei fast gelungen, die Spur des Atommülls, der nach Philippsburg gebracht werden soll, zu verwischen. Viele gesellschaftliche Akteure können oder wollen sich an die Vorgeschichte dieser Transporte mit längst vergessenen Vokabeln wie WAA und Eignungshöffigkeit nicht mehr erinnern und tun so, als seien die Castoren etwas ganz anderes: ein hinzunehmender Sachzwang.


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